FESTIVALS
Belluard Bollwerk International / FIFF / Les Georges / B-Sides Festival / LUFF / Nox Orae / Haldern Pop / Transmusicales / Eurosonic-Noorderslag
CLUBS
Petzi / Fri Son / Le Nouveau Monde / Ebullition / La Spirale / L’Amalgame / Le Romandie / Le Bourg / Les Docks / Dampfzentrale / ISC / EXIL / Zukunft / Bogen F / Palace / Südpol
ÜBERSETZUNGEN
Anne-Valérie Zuber / Michel Gorski / Georges Wyrsch / Joana De Weck / Mario Corpataux / Benoit Perler / Daniela Gabriel / Lee Staples
GRAFIK & DRUCK
Adeline Mollard / Clemens Piontek / Thibault Brevet / Cric Print / mwae
Schrift: Rima (Simon Mager / Omnitype)
MEDIENPARTNER
Couleur 3 / Watson / La Liberté / radio fr. / Radio 3Fach / GDS.FM / Loop / zweikommasieben / Daily Rock
KULTURFÖRDERER
La Loterie Romande / Agglomeration Freiburg / Pro Helvetia / Fondation SUISA / Swiss Music Export / Düdingen Tourismus / ETEP
SPONSOREN & PARTNER
INFO
Diverse Bars und kulinarische Angebote
3 Bühnen
Getränke werden im Mehrwegbechersystem gegen ein Pfand von CHF 2.— ausgeschenkt.
TÜRÖFFNUNG
Donnerstag & Freitag 15 Uhr
Samstag 14 Uhr
ANREISE
AUTO
Siehe auch Lage
ab Autobahnausfahrt Düdingen signalisiert.
Parking kostenpflichtig CHF 5.—
BAHN
mit Regionalzug ab Fribourg oder Bern (sbb.ch)
Festivalgelände ab Bahnhof Düdingen in 15 Minuten zu Fuss erreichbar.
BUS
Shuttlebus ab 2 Uhr nach Freiburg und Bern
Preis Fahrt nach Bern CHF 15.—
Preis Fahrt nach Freiburg CHF 8.—
ORGANISATOR
TonVerein Bad Bonn
Bonn 2, P.O. Box 17, CH-3186 Düdingen
+41 26 493 11 15
info@badbonn.ch
CAMPING
Für den Zeltplatz ist eine Reservation erforderlich. Es gibt Sammelstellen für PET, Glas, Alu und Restmüll. Danke dass ihr euren Müll entsorgt. Es gibt die Möglichkeit, vor Ort zu duschen.
Die Zelte müssen bis spätestens am Sonntag, 3. Juni 2018 um 12 Uhr abgeräumt sein.
->Reservation<-
HOTEL
Hotel Flamatt, Flamatt
www.hotelflamatt.ch
+41 31 741 06 60
Hotel Moléson, Flamatt
www.moleson-flamatt.ch
+41 31 741 02 40
Hotel Elite, Fribourg
www.elitefribourg.ch
+41 26 350 22 60
Hotel Aux Remparts, Fribourg
www.hotel-remparts.ch
+41 26 347 56 56
Hotel Alpha, Fribourg
www.alpha-hotel.ch
+41 26 322 72 72
Ibis, Granges-Paccot
www.ibishotel.com
+41 26 469 79 00
Aufbau
Galerie © Patrick Principe
Abbau
Galerie © Patrick Principe
Kein refrain at all.
Le chat reste à Guin.
Musik aus Thermoskrügen.
Dancing on the novilon.
To be or to R’n’B.
It is a mainsdream.
A plaisir.
Not a meeting.
Alle da?
Einer immer enger werdenden Landebahn, spaziert man vom Dorf Richtung See entlang. Sie führt vorbei an Häusern, die hinter den Vorhängen eine eigene kleine Welt von Fryburgerplatten, Novilon oder Thermoskrüge voll von Heimat versprechen. Dann kommen die Felder, die Fehler. Den Beats immer näher. Hier weht der Wind manchmal um sein Leben. Bis er verschwindet, und der Weg vergeht. Man riecht den See, komische Vögel pfeifen, man bekommt das Gefühl, man wachse immer noch auf. Die Geräusche spielen Melodien. Erinnerungen an eine kompakte Scheibe werden geweckt. Logo. Wer die Neunzigerjahre nicht miterlebt hat, kann sich seine eigenen ausdenken. Hat man diesen Rhythmus mal drauf, ist die Ankunft auf dem Planeten Musik wunderschön. Weiss jemand noch wie damals die Katze hiess?
Unter der Aufsicht von Orchestern, Lautsprechern, Ausserirdischen und Chören, wird intensiv getrommelt, gerappt, protestiert und gesungen. Unter den Kantinen und unter grossem, freiem Himmel. Noch ist er oben. P.C. ZUMTHOR schlägt Alarm aus Leidenschaft! Jazz der Vergangenheit aus nicht eingetretenen Zukünften nach AHMED MALIK klingt wie ein Virus. SEVDALIZA macht das Licht aus. Ihr surrealer R’n’B tönt auch optisch gut. Gnadenloser Techno von GIANT SWAN, Revolutionäres aus der afrikanischen Clubkultur von FAKA, NIHILOXICA oder TSHEGUE und PAN DAIJING mit surreal-psychedelischem Hörspiel. Sie alle bringen das Zentrum in Verlegenheit. In der Musik gibt es keine Provinz. Just for fake. Bis zur Orientierungslosigkeit. Die Bands aus Ländern sind nicht immer eindeutig aneinandergereiht. Überraschungen passieren am Nachmittag, während dem Essen oder frühmorgens, wenn die Krähen vom Abend erzählen. Verpassen könnt ihr nichts. Es hat keine Headliner. Aber da sind drei Pfeiler: Die klare Hall-tung von JOHN MAUS, die Helden von morgen um HOLDEN, und der Gigant der Chöre: THE MYSTERY OF THE BULGARIAN VOICES FT. LISA GERRARD. Das Unfertige befindet sich in der Poesie, im Tanz, auf der Veranda um eine imaginäre Subskulptur.
Wir haben Angst die Leute meinen, dass wir was wissen. Aber uns geht es um die Attitüde. Die bringt nicht alle gleichzeitig zum Lachen. Dass was gelingt, dafür sorgt die gute Laune, der Einsatz und die Zuverlässigkeit unserer Frau- und Mannschaft. Die guten Influenzer?/?Innen.
Lass uns irgendeine Scheisse bauen. Menschen werden dann am menschlichsten, wenn sie scheitern.
Die Kilbi ist unproblematisch geworden. Sie geht in Transe. Schafft den Refrain ab. This place is a gu(i)n!
Wir sagen Merci und feiern, dass alle anders sind.
Tonverein Bad Bonn
Daniel Fontana
PS: Die Zukunft gehört Dir. Aber sie wartet nicht. Wie wenn dich die Katze in der Nacht darum bittet sie rauszulassen
Ist das Performance-Kunst oder kann das auf die Bühne? Von wegen «oder»! Beides! Und viel mehr; oder vielmehr: Die Kilbi feuert aus allen PA-Rohren. Der Prolog aller Festivaltage läuft gleich ab: Drei Bühnen, drei Tage, drei Performances. Quadrophonie war gestern, Baby, hier wird das ganze Gelände zum Instrument! Das Lautsprecher-Orchester pustet über alle verfügbaren Boxen (und darüber hinaus). Es gibt kein Entkommen – Pro-Tipp: Schön in die Mitte und sich vom nächsten Level von Surround Sound umblasen lassen.
Thomas Jenny
In Zusammenarbeit mit dem Südpol Luzern performen Schubot/Gradinger am See. Angela Schubot und Jared Gradinger sind die Ausserirdischen der weltweiten zeitgenössischen Tanzszene. Sie überschreiten regelmässig die Grenzen des Menschenmöglichen. Zum Beispiel werden sie eins und vereinen zwei Personen zu einer. Oder sie sterben gemeinsam, damit eine Andere leben kann. Oder sie kommunizieren mit Pflanzen. Crazy Zeugs.
Speziell für die Bad Bonn Kilbi und das B-Sides Festival gehen sie vomTheater in die Wildnis.
Patrick Müller
Zeitlos. Delikat. Fragil. Magisch. Gefühlvoll. Traurig. Intensiv. Von einer wichtigen Begegnung zu einer flüchtigen Erinnerung, von einer vergessenen Melodie zu einem verschwundenen Traum. Melissa Kassab entfaltet mit ihren Liedern in empfänglichen Körpern ein Kaleidoskop aus Gefühlen. Über ihr wohltuendes Gitarrenspiel und ihrer aus anderen Sphären stammenden Stimme teilt sie mit uns ihren Kosmos, die Idee, die sie davon hat und die Art, wie sie ihn sieht. Ihre Musik kommt von überall und aus dem Nichts. Eine Musik, die der Schwerkraft trotzt. Schwebend. Variabel. Bunt. Süss. Fragil. Delikat. Zeitlos.
Dejan Gacond
Dieser Mann, mit dem besten Dj-Namen des Universums, der alles könnte und auch kann, muss an der Kilbi eigentlich nicht mehr vorgestellt werden, ist er doch so etwas wie ein Bacchus auf Bad-Bonn-Erden. Wenn DJ Fett aufkreuzt, wird Disco wieder mit Disko-K geschrieben: K für Kult, K für Knaller, K für Kollabieren – bis in den Kater-après-danse. All jene, die etwas Anderes damit assoziieren, mögen eher den Kaktus im Po, denn Koitus irgendwo. Kein Scheiss: DJ Fett wird auch dieses Jahr wieder feiss’n’nice. So vong Musik’n’Mensch her. Rock’n’Roll!
Stoph
Gäbe es einen Soundtrack zum Tag des Jüngsten Gerichts, dann lieferte dieses Schweizer Duo garantiert das Material zur ersten Stunde. Steve Buchanan und Maxime Hänsenberger sind Friendly Fire. Nomen est omen. Fire Friendly. Wenn die beiden aufdrehen, dann gibt es keine Gefangenen. Ob Sax-Feedback-Schrapnelle, Schlagzeug-Feuerstösse oder Laser-Drone-Gitarre, niemand ist sicher. Mit einem Streuwinkel von 360° feuern omni-direktionale Lautsprecher alles an Ach und Krach ab, was sie hergeben können. Get what’s coming.
Samuel Riedo
East Sister heisst eine unbewohnte Insel im Eriesee. Ein passender Name für die junge Band aus Luzern und Genf mit Basis in Basel. Das Alleinsein auf einer solchen Insel, die beruhigenden Geräusche. Das ist es, was der eigenen Fantasie zum Durchbruch verhilft, sodass man in einen Zustand kommt, in dem man sich alles nur Erdenkliche her träumen kann. Genau so funktionieren auch die Dream-Pop-Perlen von Laura Schenk (Keyboards / Gesang), Lorraine Dinkel (Gitarre / Gesang) und Amadeus Fries (Schlagzeug). Sie bieten die Erfahrung, dass aus der Ruhe eine Kraft erwachsen kann, die Geborgenheit gibt.
Ivo Stritt
Eine der bemerkenswerteren Geschichten der globalisierten Musikwelt ist jene des Orchestre les Mangelepa. In den 70er-Jahren eine der populärsten Soukous-Bands Ostafrikas, wurde die Gruppe nie über den afrikanischen Kontinent hinaus bekannt. 41 Jahre nach der Bandgründung ist das Orchester mit dem Album «Last Band Standing» (der Albumtitel ist wörtlich zu verstehen) endlich auch auf europäischen Bühnen zu sehen – und verspricht eine Reise zurück in die Zeit, als kongolesischer Rumba Afrikas Dancefloors dominiert hat. Der entspannt-hypnotische Sound mit dem bittersüss-harmonischen Gesang entzückt noch heute.
Damian Hohl
Das Aufbegehren hat sich dieses Duo aus Johannesburg gleich in den Bandnamen geschrieben: Faka heisst so viel wie “besetzen” – und erobern wollen Fela Gucci und Desire Marea vor allem ein Stück Sichtbarkeit, und zwar für abweichende Geschlechtsidentitäten im postkolonialen Afrika. Deshalb verstehen sich Faka, die Clubsound mit spiritueller Black Music zu einem rauschhaften Tribal-Rave vermischen, auch als Performance-Künstler: Bei Auftritten, häufig in Kunstgalerien, werden nicht nur Perücken und High-Fashion-Teile, sondern gleich ganze Gender-Rollen anprobiert.
Lena Rittmeyer
Politische Unruhen und Korruption prägen Tunesien nicht erst seit der Jasminrevolution, die 2010 mit der Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers ihren Anfang nahm. Deena Abdelwahed ist, wie Tausende ihrer LandesgenossInnen, mit der Aussicht auf Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit nach Europa gekommen. In Frankreich hat die Produzentin ihre basslastigen, vertrackten Technotracks mit Spuren traditionell arabischer Sounds und Rhythmen verwoben. Das Pariser Label Infiné Music lässt diese düsteren Dystopien nun im passenden Umfeld (u.a. Apparat, Rone, Francesco Tristano) gedeihen.
Fabienne Schmuki
Die Frage, wie die noch junge Band Here Lies Man klingt, lässt sich am besten mit dieser Gegenfrage beantworten: Was, wenn Black Sabbath Afrobeat spielen würden? In den Siebzigern nannte man das Verquicken von Rock-Psychedelik mit afrikanischen Rhythmen «Zamrock»; die schweren Stromgitarrenmantras von Marcos Garcia, der auch noch Teil des Afrobeat-Kollektivs Antibalas ist, klingen aber um einiges angriffiger. Schlagzeuger Geoff Mann, der Sohn des Jazz-Flötisten Herbie Mann, treibt die repetitiven Funk-Riffs voran und raut den geschmeidig groovenden Afrobeat zum Heavy Rock auf.
Lena Rittmeyer
Die Unfassbare. Nachdem sie mit ihren drei Plattenspielern durch Europa spaziert ist, ihre Sporen auf vielen Tanzflächen abverdient und viele Schätze gesammelt hat, ist Dj Marcelle unvermeidlich für die Kilbi! Keine Regeln, keine Angst, keine Grenzen! Wir durchqueren mit der gewieften Holländerin alle Genres und alle Geschwindigkeiten. Sie ist eine Künstlerin, ein Genie mit einem aufmerksamen und unberechenbaren Geschmack. Moden umgeht sie und «beat-matching» findet sie langweilig. Ein Meisterwerk, immer der Zeit voraus, das die Menge lange und euphorisch tanzen lässt.
Laure Anne Cossu
Ein surreales Wesen ziert nicht nur das Cover von Nadah El Shazly’s Debutalbum «Ahwar», sondern wirkt auch als Gallionsfigur für dieses musikalische Wunderwerk. Ein Löwensprung aus der Nil-Region und hinaus in die unendlichen Weiten des Klangs. Mehrschichtig, farbig, erkundend, wie eine sich stets wandelnde Maske, dazu eine lockende Stimme, die durch labyrinthische Kompositionen führt. Nadah El Shazly fügt fortlaufend Schicht um Schicht, Detail um Detail dem Ganzen hinzu, ohne den Zuhörer in kompletter Absurdität zu verlieren. Hier entsteht ein musikalischer Perspektivenwechsel, den es so noch nicht gab.
Valentin Brügger
Manche Stories sind älter. Wurzelwerke, deren feinste Fasern bis in die Venen der Menschen reichen und weiterwachsen. Im marokkanischen Dorf Jajouka findet dies seit jeher musikalisch seinen Ausdruck. Unzählige Künstler, Musiker, Literaten fanden ihren Weg zu diesen Master Musicians of Jajouka und trugen die sonischen Narrative weit über das Atlasgebirge hinaus. Polyrhythmisches Trommeln und schwebende Flötenmelodien, die sich um den Verstand winden. Dazu die Körper synchron zum Flammenschlag, bis Klang und Hitze am Himmel emporsteigen, sich wie Blätterdächer schliessen und wir Teil dieser Story werden.
Valentin Brügger
Ein Soundlabortisch und zwei verrückte Entrückte, die allem Anschein nach auch im Alltag gerne Mal riesige Schwäne durch die Strassen jagen. Oder: Bristols aufgeriebene Freunde der elektronischen Musik und des Hardcore-Punks treffen sich zum ekstatischen Wände-Eintreten. Den Soundtrack dieses Wahnsinns liefern Giant Swan mit frenetischen Rhythmen, sohlenschmelzenden Bässen und aufpeitschenden Kicks. Vitalisierend, kathartisch und mit einer unerhörten Anziehungskraft, als züngle das Publikum am vibrierenden Gitter eines Faraday’schen Käfigs entlang. Der verdammte Schwan hat Fleisch gewittert.
Valentin Brügger
Den Hip-Hop-Puristen sind Injury Reserve zu abgedreht und weird, den Gelegenheits-Rap-Fans sind sie zu klar im Hip-Hop verortet. So fällt das Trio aus Phoenix zwischen Stuhl und Bank, wo es sich offensichtlich auch wohl fühlt. Ihre Musik soll neu und schräg klingen, aber eben auch cool und zugänglich sein, erklären sie, und bringen auf den Punkt, was es mit ihrer Musik auf sich hat, die grösstenteils in einer Zahnarztpraxis aufgenommen wurde. Xanax-Trap-Kids werden wenig begeistert sein, wer auf einfallsreichen und rhythmisch komplexen Underground-Hip-Hop steht, umso mehr.
Damian Hohl
Wie zwei Clowns, die an einer verlassenen Tankstelle einen traurigen Walzer tanzen: Genau so klingt der eigentümliche Kammerpop des Duos Midnight Sister aus L.A. Wie in der Szene aus einem ihrer Videoclips schwingt auch in der abgewetzten Discomusik von Juliana Giraffe und Ari Balouzian viel Sehnsucht mit: Das Electro-Piano orgelt freundlich wie ein ausrangierter Leierkasten zum bedächtigen Schlagzeug, und Juliana Giraffe singt mit der Stimme einer alternden Hollywood-Diva übers Tagträumen, über Begegnungen im Mondlicht und verblassende Erinnerungen.
Lena Rittmeyer
Aus Los Angeles kommen sie her, die Flat Worms. Das Trio, bestehend aus Will Ivy (Dream Boys), Tim Hellman (Thee Oh Sees, Sic Alps) und Justin Sullivan (Kevin Morby, The Babies), hat neulich sein erstes Album veröffentlicht. Schon die EP Red Hot Sand hat ordentlich reingehauen: Das ist mal wieder American Underground Punk der guten Sorte! Etwas Garage, etwas verzerrte Gitarren, viel Noise-Appeal, bisschen Rock’n’Roll, Punk-Lyrics und Kick-Ass Beats, dadaistische Videos, … need I go on?
Die Flat Worms sind einfach höllisch fun!
Sabine Ruch
Anstatt die Vergangenheit zu dokumentieren, bildet sie hier die Grundlage für kreative Projektionen: Im Zentrum der aufregenden Musik von Ahmed, einer neuen Jazzband mit vier eigenwilligen Stimmen, stehen die radikalsten Skizzen einer Zukunft. Die Musiker haben sich dem Erbe von Ahmed Abdul-Malik angenommen und dessen Verschmelzungen von östlicher und westlicher Musik aus den späten 1950er-Jahren ins Übermorgen transportiert. «Music to listen, dance and think to», schreibt das Label Umlaut. Gibt es schönere Aussichten, als dass wir in Zukunft endlich das Zuhören, Tanzen und Denken erlernen?
Fabienne Schmuki
Es brutzelt und zischt, doch grilliert werden nicht etwa saftige Steaks, sondern Kabel, Lautsprecher und Schaltungen im Mischpult wie auch im Gehirn. Aufgewachsen in Guiyang, bringt Pan Daijing ihre Noise-Stimm-Skulpturen und -Performances seit ein paar Jahren von Berlin aus unter Leute, die Musik auch als physische und psychische Grenzerfahrung erleben wollen. 2017 dann erschien ihr Debut-Album mit Klängen, die zunächst überraschend sanft erscheinen, sich aber störrisch repetieren und eine raumgreifende, manchmal fast quälende Präsenz entwickeln, der man kaum entkommen kann noch will.
Frédéric Auderset
Horse Lords aus Baltimore lassen auf ihrem dritten Album «Interventions» westafrikanische Beats, Saxophon, mikrotonale Gitarren und minimale Grooves kollidieren. Sie sind in der neusten Welle von «smarty-arty-DIY-weirdos» ebenso zu verorten wie im Indie des 21. Jahrhunderts und schaffen es, die Grenzen zwischen Komposition/Improvisation und Elektronik/Performance zu verflüchtigen. Es wird berichtet, dass die rollenden Polyrhythmen der zwei Drummer Sam Haberman und Andrew Bernstein (auch Sax), die auf die klopfend-klingelnden Gitarren Owen Gardners und den tragenden Bass Max Eilbachers treffen, in einer äusserst kraftvollen, energiegeladenen Live-Show gipfeln!
Sabine Ruch
Sevdaliza durchstreift die Unendlichkeit der Möglichkeiten eines trügerischen Klanguniversums, flüchtig, organisch und synthetisch. Eine Welt zwischen kosmischer Grösse und kaum wahrnehmbaren Gefühlen. Den Menschen, seine angenommene Herkunft als auch seine potenzielle Zukunft, hinterfragend, sinnt Sevdaliza über undefinierte Herkunft, Geschlechter oder Normen. Eine zugleich musikalische, philosophische, persönliche und gesellschaftlich kritische Reflexion, getragen von einer melancholisch-warmen Stimme. Eine Stimme, geimpft vom traurigen Gewissen einer Welt auf der Suche nach einer dauerhaften Identität.
Dejan Gacond
Ist das Performance-Kunst oder kann das auf die Bühne? Von wegen «oder»! Beides! Und viel mehr; oder vielmehr: Die Kilbi feuert aus allen PA-Rohren. Der Prolog aller Festivaltage läuft gleich ab: Drei Bühnen, drei Tage, drei Performances. Quadrophonie war gestern, Baby, hier wird das ganze Gelände zum Instrument! Das Lautsprecher-Orchester pustet über alle verfügbaren Boxen (und darüber hinaus). Es gibt kein Entkommen – Pro-Tipp: Schön in die Mitte und sich vom nächsten Level von Surround Sound umblasen lassen.
Thomas Jenny
In Zusammenarbeit mit dem Südpol Luzern performen Schubot/Gradinger am See. Angela Schubot und Jared Gradinger sind die Ausserirdischen der weltweiten zeitgenössischen Tanzszene. Sie überschreiten regelmässig die Grenzen des Menschenmöglichen. Zum Beispiel werden sie eins und vereinen zwei Personen zu einer. Oder sie sterben gemeinsam, damit eine Andere leben kann. Oder sie kommunizieren mit Pflanzen. Crazy Zeugs.
Speziell für die Bad Bonn Kilbi und das B-Sides Festival gehen sie vomTheater in die Wildnis.
Patrick Müller
Zeitlos. Delikat. Fragil. Magisch. Gefühlvoll. Traurig. Intensiv. Von einer wichtigen Begegnung zu einer flüchtigen Erinnerung, von einer vergessenen Melodie zu einem verschwundenen Traum. Melissa Kassab entfaltet mit ihren Liedern in empfänglichen Körpern ein Kaleidoskop aus Gefühlen. Über ihr wohltuendes Gitarrenspiel und ihrer aus anderen Sphären stammenden Stimme teilt sie mit uns ihren Kosmos, die Idee, die sie davon hat und die Art, wie sie ihn sieht. Ihre Musik kommt von überall und aus dem Nichts. Eine Musik, die der Schwerkraft trotzt. Schwebend. Variabel. Bunt. Süss. Fragil. Delikat. Zeitlos.
Dejan Gacond
Geld verbrennt die Finger. Und auch Herzen sind nicht davon abgeneigt. Pony bringt die Liebe ins Spiel. In die Musik. Das kostet. Aber wer’s auskostet, zahlt gerne diesen Preis. Für Brigitte braucht es zwei. Gael Kyrkiakidis schafft das allein. Oder fast. Mit Band ist sie auch gut. Kunst und voller Gesang. Eine reife Lolita in einem Hof der Verführung. Ethnie für die Nachbarschaft. Greifbar, verspielt, lasziv und mit verstecktem Humor. Musik lässt sich lernen. Oder, wie bei Pony, einfach spielen.
Sven Wälti
Das Zürcher Duo Savage Ground besteht aus dem auch als DJ hochgeschätzten Daniele Cosmo und einem ominösen Herrn namens CCO. Auf ihrer gemeinsamen Instrumentenliste stehen diverse elektronische Rhythmusgeber, deren Fabrikatenamen jeweils eine dreistellige Nummer mit einer 0 in der Mitte folgt. Modularsynthesizer jeglicher Couleur füllen die nicht sequenzierten Klangbereiche mit artifiziellem Leben. Experimentellen Techno könnte man das nennen, und sollte man auch, denn dafür steht Lux Rec, das von Daniele Cosmo vor sieben Jahren gegründete Label.
Roger Ziegler
In der Schweiz gibt es Gebiete, da wird gespart und Kreativitätslosigkeit bewiesen; Timo Keller von Hanreti geht hingegen den entgegengesetzten Weg. In seinem Luzerner Studio vom Dach tüftelt er an üppigen Alben, gefüllt mit Hippie-Hop, Alternative-Funk und überhaupt grandioser Musik aus aller Welt – was dann auch alsbald das Tageslicht erblickt. Und dies in einem solchen Tempo, dass gemunkelt wird, der Nachfolger stehe schon in den Startlöchern, bevor das aktuelle Album überhaupt rausgekommen ist. Doch vorerst darf man noch den «Deep Sea Dream» träumen.
Stoph
Wollte man Ziúrs Musik sortieren, stiesse man vor allem auf bitterböse Bässe und bedrohliche Samples. Die Kiste mit der Aufschrift «Rage» wäre rappelvoll, ebenso die Kisten «laut» und «druckvoll»: Die DJ/Produzentin aus Berlin schert sich einen Dreck um Subgenres oder Tempi. Ihr gewagter Mix ist so intelligent, dass er trotz wildem Durcheinander von Beats und Rhythmen dancefloortauglich ist. Ziúr hat sich im Nu zum Liebling der Szene gemausert, sie darf u.a. auf den Support von Dev Hynes (Blood Orange) oder Peaches zählen. An alle ordnungsliebenden FestivalteilnehmerInnen: Macht besser Pause!
Fabienne Schmuki
Harvey Rushmore & The Octopus, ein furioses Quartett, das auf Erfahrung schwört und daher auf die Bühne will. Diese Rebellen, inspiriert von den amerikanischen (Anti-)Helden und den Soundtracks der Sechziger, wehren sich gegen alle Fesseln. Die Truppe mag Improvisation und die Freiheit des Zufalls und fürchtet weder versteckte Nischen noch schräge Abzweigungen. Der Jungbrunnen des allmächtigen Rock’n’Rolls scheint unerschöpflicher denn je.
Laure Anne Cossu
Diese Frau ist ein singendes Statement. An Shows von Lido Pimienta werden Minderheiten bevorzugt, angesprochen, in den Mittelpunkt gestellt. Ihre aktuelle LP «La Papessa» gewann verdient den renommierten Polaris Music Prize. Ein Werk, das kolumbianischen Latin, avantgardistischen Afro und dunklen Avantgarde-Electro auf vermittelnde Ebenen hebt. Dementsprechend beinhaltet die Platte unterschiedlichste Settings zwischen den Herkunftsländern der Performerin, Kolumbien und Kanada. Oder kurz und knapp: Afro-Latin-Björk mal Weltverbesserung.
Stoph
Visuals by Patrick Conus
Isolated Lines weigert sich, sich auf experimentellen Techno zu beschränken und fügt den kalten, fesselnden Rhythmen des Genres einen Hauch von Groove hinzu, total trippig und hypnotisch. Seine nächtlichen Erfahrungen und dunkle, transzendente Energie bringt er facettenreich in seinen subtilen Produktionen zur Geltung. 2013 konnte er nach der Veröffentlichung seiner ersten EP «Linear Reflection» die Aufmerksamkeit von Tommy Four Seven auf sich ziehen. Dieser benutzt, «Stride», die seine Vorliebe für die dunkle Seite der Macht beweist, erschien 2014 ebenfalls auf dem Lausanner Label Creaked Records.
Laure Anne Cossu
Seit bald drei Jahrzehnten beglückt uns Andrew Weatherall, der britische Overlord of Techno, mit seinen Sounds. Sei’s solo, als Sabres of Paradise oder Two Lone Swordsmen – nie hat er sich dem Mainstream verkauft, sondern ist seinem IDM-Approach folgend ein Wegbereiter innovativer elektronischer Musik geblieben. Mit seinem neusten Album «Qualia» geht er jedenfalls in eine instrumentalere, langsamere Richtung der Tanzmusik, welche mit live anmutenden Drums und dynamischem, aber unaufdringlichem, Bass ein Live-Gefühl vermittelt. Er «missioniert» übrigens schon länger für langsamere, leisere Tanzmusik – mehr Melodie und Atmosphäre statt Bumm-Bumm.
Sabine Ruch
Auch ein kleiner Fisch wird gefressen. Laetitia Tamko aka Vagabon aus Brooklyn singt davon und fühlt sich aber nicht mehr so. Am liebsten bloss drinnen bleiben. Oder nur Frankie Cosmos treffen. Doch müde sein tönt anders. Aufbruch! Grenzenlosigkeit! Propaganda! Gitarre trifft auf Ambient. Girl of the moment für die Presse. Ihre musikalische Kontrolle lässt sie selber pressen. Freiheit auf dem Weg zum frei sein. «Infinite World» ist das Album dazu. Ein Hai frisst alles. Und Pitchfork hat es einmal mehr aufgegabelt.
Sven Wälti
Für sein neustes Projekt hat sich Beat Zeller alias Reverend Beat-Man mit Musikern zusammengetan, deren Namen bei jedem Kenner der Schweizer Musikszene ein lautes «Oh!» hervorrufen dürften: Mario Batkovic am Akkordeon, Julian Sartorius am Schlagzeug, Resli Burri an den Tasten und gesanglich wird der Prediger von der amerikanischen Sängerin Nicole Izobel Garcia unterstützt. In dieser Kombination wird der Surreal-Folk-Blues-Gospel-Trash des Reverends nach eigenen Angaben filtriert, zermürbt und rekonstruiert. Die pure Seele des Rock’n’Rolls, um die es bei Zeller immer geht, wird schöner funkeln denn je.
Ivo Stritt
Vier Boys, zwei Girls – und viel Revolution. Die Downtown Boys aus Rhode Island reissen Trumps Mauer schon vor dem Bau nieder und nicht weniger als Schutt und Asche dem Kapitalismus ist Programm. Das Sextett gehört zu einer neuen Welle von US-Bands mit politischem Gedankengut und spannender Frontfrau (Sheer Mag, Pill. etc). Ihre südamerikanischen Wurzeln sind dabei nicht nur bei der Trump-Attacke spürbar. Und das immer wieder mit Saxofon und Tuba, voll auf alles und alle. Emotion im Punk, hochstehendes Songwriting, Melodie, Härte und Tempo – und trotzdem kein bisschen Ska: grandios.
Mario Corpataux
Durch die Folter, welcher La Tène ihre Museums Instrumente mit Sorgfalt und Fingerfertigkeit aussetzen, entsteht ein Sound zwischen evolutionärem Gedröhne und primitiver Trance. Perkussion, Drehleier und ein indisches Harmonium thronen auf einem elektronischen Soundteppich. Das Psychedelische wirkt mittelalterlich, das Wummrige erscheint zeitlos und am Ende des Klanglabyrinths bleibt ein Verlangen nach einer weiteren Runde. Für ihren zweiten Kilbi-Besuch wird das französisch-schweizerische Trio von Mitgliedern des sich ebenfalls mit traditioneller und experimenteller Musik befassenden Kollektivs La Novia begleitet.
Christophe Schenk
Caterina Barbieri hat das Kompositionshandwerk von der Pieke auf gelernt, aber statt mit einem Orchester arbeitet sie mit Sequenzern und Synthies, wahrt dabei aber die Form. Das Resultat: durchkomponierte Experimentalelektronik. Basierend auf minimalistischen, repetitiven Patterns – und nach Eigenaussage immer auf der Suche nach möglichst reinen Wellenformen und puren Klängen –, entfaltet ihre Musik eine meditative Kraft, welche die Komplexität der Kompositionen zunächst kaschiert, dafür aber einen enormen Sog entwickelt. Musik für Leute, die Stille und/oder Philip Glass mögen.
Thomas Jenny
Stell dir vor, Kill Bill und La La Land wären ein und derselbe Film. Khruangbins Clip zu Two Fish And An Elephant gibt dieser Versuchung nach: Das texanische Trio lässt eine asiatische Uma Thurman inmitten eines Massakers auf einen afroamerikanischen Ryan Gosling treffen. Schon bald verschmelzen sie zu diesem reizenden Sound im Tanz… Inspiriert vom Thai Funk der 60er-Jahre, von Tarantino Soundtracks und Surf Rock, steckt in Khruangbins Musik magische Kraft. Diese verwandelt den Kilbi-Platz in eine amerikanische Steppe, dein Bier in Mezcal und das Mädchen in deinem Arm in eine Medusa.
Fabienne Schmuki
In den 70er-Jahren entdeckt von einem Schweizer Musikfanatiker, verkauft dieser für das bulgarische Fernsehen geschaffene traditionelle Chor sein kulturelles Erbe seither auf der ganzen Welt. Dank tausenden Konzerten, millionenfach verkauften Tonträgern und einem Grammy Award kann man von keinem Mysterium mehr sprechen. Fasziniert von diesem Chor, begleitet die grosse Lisa Gerrard von Dead Can Dance The Mystery of Bulgarian Voices auf dieser Tour.
Christophe Schenk
«The Animal Spirit», das dritte Album James Holdens, ist die Kulmination einer radikalen Transformation: Aus dem Computermusik-Trendsetter und DJ der Nuller-Jahre wird ein virtuoser und bedeutender Live-Musiker und Bandleader! Der reinste Wahnsinn, was dieser James Holden und seine neuen Mitstreiter auf The Animal Spirit abziehen! Atmosphäre, Polyrhythmik, Jazz, Ethno, Electronica: check all! Eine Art akustische Hypnose stellt sich beim Hören der Platte ein, welche in einer Mammut-Session mittels Single Takes und in einem einzigen Raum aufgenommen wurde. Wichtig: zuhören, nicht schnurren, und abheben.
Sabine Ruch
Ist das Performance-Kunst oder kann das auf die Bühne? Von wegen «oder»! Beides! Und viel mehr; oder vielmehr: Die Kilbi feuert aus allen PA-Rohren. Der Prolog aller Festivaltage läuft gleich ab: Drei Bühnen, drei Tage, drei Performances. Quadrophonie war gestern, Baby, hier wird das ganze Gelände zum Instrument! Das Lautsprecher-Orchester pustet über alle verfügbaren Boxen (und darüber hinaus). Es gibt kein Entkommen – Pro-Tipp: Schön in die Mitte und sich vom nächsten Level von Surround Sound umblasen lassen.
Thomas Jenny
Wenn die Leichtigkeit des Seins erträglich tönt, dann muss was passiert sein. Und wenn im Südpol zu Luzern das Einheimische zum Träumen erweckt, dann muss das real sein. Und zwar real gut. Alois aus dieser Umgebung lässt solche Flowers nicht verwelken. Selbst Hipster würden Bärte abschneiden, um das richtig hören zu können. Es mag leicht sein. Mehr Schaumbad als Kaltdusche. Mints ist das Bündel dazu, oder das all boom dieser Zeit. Bis zum zarten Beginn eines langen Bleibens.
Sven Wälti
Die junge Churerin Martina Berther ist zuerst als Bassistin in Bündner Hip-Hop-Bands in Erscheinung getreten. Heute ist sie eine vielbeschäftigte Sidewoman in der Schweizer Musikszene. Die Genferin Béatrice Graf gehörte in den 80ern zu den ganz wenigen Drummerinnen in der Schweiz. Ihr Hintergrund reicht von Afro über Jazz bis Rock. Zusammen sind sie Ester Poly. Der Bass wird mal sanft gestrichen, mal wütend angeschlagen, das Schlagzeug gibt dafür straighte Beats vor oder schlägt dazu übermütig Purzelbäume. Ist das Jazz? Ist das Rock? Auf jeden Fall ist das eigenständig, ehrlich und höchst spannend.
Ivo Stritt
2 Daumen und 1 Zeigefinger: So entlockt man dem eintausend Jahre alten Daumenklavier Mbira glockenhafte Klänge. Im Zimbabwe der frühen Siebzigerjahre galt dieses Instrument als gefährlich: Als Stella Chiweshe oder Ambuya Chinyakare (Grossmutter der traditionellen Musik) das Mbira-Spiel erlernten, war dies für Frauen verboten; darüber hinaus untersagte das Kolonialregime sämtliche kulturelle Aktivitäten. Heute wohnt Chiweshe in Berlin, gilt als Botschafterin für Künstlerinnen aus Zimbabwe und verbreitet ihre Botschaft des Friedens in Form von Trance Music. 3 fingers for peace!
Fabienne Schmuki
Sind die Bassstösse heftig genug, tritt das Meer an der Strasse von Gibraltar übers Ufer: Gibraltar Vacuum hat sich von Klippen, Meerengen oder Röschtigräben noch nie einschüchtern lassen. Das kaum bekannte Alter Ego von Feldermelder könnte gefährlicher sein, als vermutet. Nach Tonspuren im Netz sucht man vergebens, doch wer seinen Techno schwarz und ohne Zucker mag, der wird sich gemeinsam mit Gibraltar Vacuum in die Brandung des Schiffenensees, vielleicht aber auch ins Verderben stürzen!
Fabienne Schmuki
Der Zürcher DJ und Produzent, der seine Platten von Berlin bis Montreux dreht, und die eigene Herkunft als Kombination eines karibischen Voodoo-Zauberer-Stamms und einer zentralschweizerischen Musikerfamilie beschreibt, begriff schnell die Rhythmik seines musikalischen Erbes. Er ist aus Berlin und einer Residenz im Watergate nach Zürich zurückgekehrt, um sein neues Album vorzubereiten und sich mit Kalabrese zu einem neuen Projekt zusammenzutun. Eine grenzenlos kreative Kraft aus Blues und Funk und ein Muss für jeden verrückt-fröhlichen Tänzer.
Laure Anne Cossu
Das Golden Dawn Arkestra aus Austin stellt einen kompletten Musikladen auf die Bühne mit Gitarren, Bass, Drums, Synthies, Orgel und viel Perkussion und Gebläse und allem drum und dran und Tänzerinnen. Da wird Musik wahrhaft zelebriert und ihrer höheren Macht oder Ra oder auch einfach dem Sommerbeginn und der Bewegungsfreiheit gehuldigt. Die Zeremonie hat das Flair vergangener Filme mit Discokugeln und Raumschiffen, coolen Sonnenbrillen und nackter Haut, ist mit Zitaten von Sun Ra und Sly Stone, aber auch Anspielungen auf Slayer und Yello gespickt und stets ungemein funky und tanzbar.
Frédéric Auderset
Wenn Peter Conradin Zumthor trommelt, wähnt man sich in einem Tarkowski-Film: Staubige Industriehallen erscheinen vor dem inneren Auge, wo alte Maschinen scheppern, rauschen, rasseln. Der Bündner Schlagzeuger ist der Sohn des bekannten Architekten Peter Zumthor und gehört genau wie sein Vater zu den Meistern seines Fachs. Mit Hochgeschwindigkeit rasen seine Stöcke über die Felle, hochpräzise sind seine wuchtigen Solos. Und obwohl ihn die Einsamkeit antreibt, wie er mal gesagt hat, scheint er auch Gefallen an Kollaborationen zu finden – etwa mit Merz, Julian Sartorius oder Anna Trauffer.
Lena Rittmeyer
Wenn in der Künstlerbiografie mit Kraftausdrücken nicht gespart wird, kann das auch nur von der Mittelmässigkeit der Musik ablenken wollen. Bei AIR LQD, dem Soloprojekt von Mehdi Kernachi, ist es eher als Warnung zu verstehen. Der Mann mag, wenn es knallt und knattert. Übersteuerte Rhythmusmaschinen, verzerrte Samples, harsche Geräuscheinlagen und ein konsequent minimal gehaltenes Soundbild machen AIR LQD zu einem neuzeitlichen Bindeglied zwischen Techno und Industrial Music.
Roger Ziegler
Bonaventure als Schweizer Vertreterin des weltumspannenden Afrika Diaspora-Labelprojektes NON Worldwide zu bezeichnen ist nicht ganz richtig, denn die bis vor kurzem als Grafikerin tätige Soraya Lutangu hat ihrer Geburtsstadt Lausanne längst den Rücken gekehrt. Ihre verworrenen und doch meist groove-orientierten elektronischen Tracks sind thematisch schwer beladen – Rassismus, Hass und Gleichgültigkeit der Menschen haben sie zu stark geprägt, als dass sie auch nur im Traum daran denken würde, ihre Musik nicht als politische Botschaft verstanden wissen zu wollen.
Roger Ziegler
Musik kann einem den Boden unter den Füssen wegziehen oder den Horizont erweitern, sie kann das eigene Weltbild dekonstruieren oder den Zugang zur vierten Dimension ermöglichen. UUUU machen all das kombiniert: Die Mitglieder von Wire, Coil & Tomaga pusten dir den Schädel weg, denn so viel musikalische Experimentierfreudigkeit resultiert in epischen, repetitiven, druckvollen Anti-Hymnen.
Das selbstbetitelte Epos beweist Vielseitigkeit in den Titeln in englischer, deutscher und italienischer Sprache, in stilistischer Wandelbarkeit sowie in Hybridität von heute und morgen. Thank you, danke, grazie UUUU!
Was tun, wenn Fat White Family auf Paranoid London und Insecure Men trifft? Teekränzchen? Mitnichten! Nicht wehren, sondern es einfach wie von Geisterhand geschehen lassen: Zu unorthodoxen Grooves die Mähne schütteln und das Tanzbein ausschwingen, bei schrillen Gitarren die Trommelfelle schmoren lassen und zu guter Letzt bei überdreht echoartigem Gesang langsam und sicher wahnsinnig werden. Mit psychedelischen Klängen, die auf der Zunge vergehen wie Heissleim. Warmduscher: Wo Körperhygiene aufhört und Kraut-Garage beginnt.
Samuel Riedo
«Trance» ist hier im ursprünglichen Wortsinn gemeint; Musik, «in deren Steigerung das Subjektive zu völliger Selbstvergessenheit hinschwindet» (Friedrich Nietzsche – Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik): Die dionysische Qualität von repetitiv-rhythmischer Perkussion aus Uganda trifft auf die apollinische Berechnung elektronischer Klänge aus dem Vereinigten Königreich. Analoges verschmilzt mit Digitalem, Archaisches verfliesst im Futuristischen, Trommel-Patterns und Synthie-Teppiche verbinden sich unter dem Vorzeichen der kollektiven Ekstase. Nihil obstat!
Thomas Jenny
Man könnte, möchte aber nicht, meterlange Referenzstränge notieren. Man hält sich kurz und lässt knobeln: TI, MG, UMO, MS – oder bringt es im Chat mit dem Cousin auf den Punkt: «Was hältst du eigentlich von Nick Hakim?». Ich: «Durchwegs hohes Niveau, gross. Glaube, dass das Eigenständige an ihm das Zusammen-, In- und Übereinanderlegen seiner Einflüsse ist.» «Klugscheisser!», hätte ich mir als Cousin geantwortet. Hakim, der Washingtoner, ist ein Funk-Soul-Brother der bunteren Art mit einnehmender Wärme im Stimmorgan und der Begabung, Gehörtes unerhört neu anhören zu lassen und auf die Summe der Teile zu pfeifen.
Mario Corpataux
Wenn Faty Sy Savanet und Nicolas Dacuhna die Bühne betreten, sind epileptische Tanzanfälle unvermeidlich. Kein Wunder, denn das franko-kongolesische Duo setzt mit einem rauen Mix aus trockenen Drumbeats, rhythmischer Tribal-Perkussion, Garage-Rock-Gitarren und dem schnörkellosen Gesang von Sy Savanet stürmische Energien frei, für die der Begriff Afropunk ausnahmsweise ganz zutreffend ist. Hochexplosive Versatzstückmusik am Puls der Zeit.
Damian Hohl
Wir sind von Anfang an fassungslos. John Maus entwischt allen Schubladen. Ein hektischer Riese mit dem Blick eines Universitätsprofessors. Der Mann formt kurze, abprallende Phrasen, passend zu den Musikströmungen der 80ies. Ein Teppich aus Tastengeklimper und synthetischen Texturen. Eine Science-Fiction-Film-Atmosphäre, urbane Melancholie, düstere Motelzimmer auf verwackelten Fernsehbildern … Unter diesem täuschend einfachen Schein der obengenannten Realität verbirgt sich eine wohlüberlegte Klangwelt und ein großer Gelehrter: ein zufälliges Treffen von Twin Peaks und Gilles Deleuze in den Feldern der Kilbi…
Text: Dejan Gacond
Gleich auf einen Streich gelang Annika Henderson und ihren mexikanischen Session-Partnern eine Playlist für die letzte Disco im Diesseits. Entfachte Körper, die sich dem trippig-treibenden Groove aus Post-Punk und Goth-Wave hingeben. Darüber, fast lethargisch und unterkühlt, schwebt Hendersons Stimme, die zwar surreale Szenen beschreibt, dadurch das Befremdliche der Realität aber erst erkennen lässt. Alles zusammengehalten durch ein improvisiertes Soundkonstrukt, was für die ersehnte Note Endgültigkeit sorgt. Mit zusammengepressten Augen und innerlich glimmend lässt sich’s am besten verlieren. Mit Exploded View den Zerfall wagen und weitertanzen.
Valentin Brügger
Die Amerikaner sind Boten des Pop von Morgen, vernichten Epochen und Einflüsse mit entwaffnender Leichtigkeit. The Velvet Underground, Sonic Youth, My Bloody Valentine oder Spacemen 3 – Deerhunter verbinden alle zugleich. Sie sind eine Art Spotify-Konto der Zukunft und machen alles besser als alle anderen, jedoch ohne unnötige Imitation und Wunderkind Gehabe. Könnte dies das Geheimnis der Leidenschaft sein?
Christophe Schenk